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Carmina austriaca

Probe für Grafenegg mit dem Komponisten: Das erste Stück
Am 25. Juni singen wir bei der Uraufführung der "Carmina austriaca" in Grafenegg. Das ist eine Kantate nach Liedern des Mittelalters für gemischten Chor, Knabenchor und großes Orchester. Geschrieben hat sie Gerald Wirth, der Präsident der Wiener Sängerknaben.

Die Probe beginnt um elf; wir machen Lockerungsübungen, Atemgymnastik, wir singen uns ein. Unser Kapellmeister, Luiz de Godoy, geht mit uns die Stellen für Knabenchor durch. Wir singen bei sechs Stücken mit. Zwei Lieder singen wir ganz allein, bei den anderen vier musizieren wir mit allen anderen – dem Chor, dem Orchester und den erwachsenen Solisten. Das ist richtig spannend. Im Frühjahr haben wir eine Oper von Herrn Wirth gesungen, den Bettelknaben. Deswegen wissen wir schon, wie er komponiert. Vor allem beim Rhythmus muss man höllisch aufpassen. Es ist gar nicht so leicht. Zählen hilft; aber wie geht das bei einem freien Rhythmus? Wir kommen ganz schön ins Schwitzen.

Um halb zwölf geht die Tür zum Probensaal auf. Herr Wirth kommt herein. Wir stehen auf. Herr Wirth winkt, wir sollen uns wieder setzen. Das tun wir. Herr Wirth fängt gleich mit dem ersten Stück an, der Fanfare. Wir haben so eine Art Einführung zu singen, wie ein Herold, der auf dem Marktplatz verkündet, was jetzt gleich passiert. Felix meint, wie ein Fernsehansager. Damit die Leute wissen, was sie erwartet, nämlich Drama! Geschichten “von helden lobebären, von grozer arebeit”, na, Arbeiten muss man ja immer. Mir gefällt am besten der Satz, “von kuener recken striten muget ir nu wunder hören sagen.”

Herr Wirth singt uns vor, wie es klingen soll; wir sollen erzählen, es muss spannend sein, lebendig, als ob man psalmodiert. Wir probieren das aus, er ruft hinein, “Weitersingen! Ja nicht stehenbleiben!” Wir singen. Herr Wirth klopft ab: “Ihr müsst die Phrasen durchziehen, atmet chorisch.” Wir singen weiter und atmen chorisch. Aber das mit dem freien Rhythmus ist uns nicht wirklich klar – es kann ja nicht jeder seinen eigenen Rhythmus singen. Herr Wirth nickt: “Für einen Chor ist das nicht so einfach. Ihr müsst aufeinander hören.” Keine zwei Achtel dürfen gleich sein. Wir probieren es wieder, von kuener recken striten. “Das klingt gut!”, ruft Herr Wirth, “Aber ich muss die Konsonanten hören.” Wir singen die Stelle noch einmal und diesmal Kkkann Herr Wirth die Kkkkühnen Rrrecken deutlich kämpfen hören. Das wäre doch gelacht!

Dann kommt das Ave nobilis. Das singen unsere Solisten, und es ist richtig, richtig hoch. Der Text ist lateinisch, es ist eine Begrüßung für Maria. Herr Wirth lässt die Solisten aufstehen – Emmet, Hajun, Jetmir und Manuel haben es geübt – die können am höchsten singen: “Ave, aaaaaaaave nobilis venerabilis Maria”. Auf dem ersten Ton muss ein Crescendo gemacht werden, damit das A schön aufblüht, sonst wird es langweilig. Die vier üben das ein paar Mal; ich finde, sie machen das ziemlich gut. Nach dem Solo beginnt die Melodie zu tanzen, und wir tanzen auf unseren Plätzen mit.

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